Jeff Koons:
SKULPTUR. PROJEKTE IN MÜNSTER 1997 – Statement

Die Einladung, bei Skulptur. Projekte in Münster 1997 mitzuwirken, bedeutet mir sehr viel. Münster war und ist eine Gelegenheit für Künstler, die Möglichkeiten dessen aufzuzeigen, was öffentliche Skulptur sein kann und welche Interaktionen mit dem Publikum auftreten können. Die internationale Kunstwelt, die nach Münster gelockt wird, um aus erster Hand die verwirklichten Projekte in Augenschein zu nehmen, gehört zum abenteuerlustigsten Publikum in der Welt der Kunst, und die deutsche Bevölkerung ist immer ein Kunstpublikum gewesen, das einen am meisten unterstützt hat.

Meine Teilnahme an Skulptur Projekte in Münster 1987 hatte aus zwei Gründen tiefgreifende Auswirkungen auf meine Kunst; es war die erste Gelegenheit, die mir jemals gegeben wurde, eine öffentliche Skulptur im Freien zu schaffen, und aufgrund technischer Probleme, die bei der Herstellung meiner Arbeit auftraten, war ich gezwungen, meinen Dialog mit dem Ready-made auf offenere und großzügigere Weise zu entwickeln.

Bei Skulptur Projekte in Münster 1987 stellte ich eine Arbeit mit dem Titel Kiepenkerl aus. Dieses Werk ist ein neuer Abguß einer Bronzeskulptur, die im Stadtzentrum von Münster steht. Der Original Kiepenkerl aus Bronze ist für die Einwohner von Münster schon immer eine bedeutende und Identität bildende Skulptur gewesen, die Selbständigkeit, Reichtum und eine moralische Beziehung zur Welt symbolisiert.

Der Kiepenkerl ist das Bild eines Mannes, der mit einer Kiepe auf dem Rücken zum Markt geht. Sie ist mit Eiern, Kartoffeln, einem Hasen, Tauben und anderen Dingen gefüllt, die Selbständigkeit und Reichtum ausdrücken. Nachdem ich den Kiepenkerl in der Mitte der Stadt vor einem Restaurant mit gleichem Namen entdeckt hatte, war meine Idee, das öffentliche Symbol für Selbständigkeit und wirtschaftlicher Sicherheit in die Gegenwart zu transferieren - eine Ikone wiederzubeleben, die auch heute noch den Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht. Ich überlegte mir, den Kiepenkerl in hochpoliertem Edelstahl, dem luxuriösesten Material des Proletariats, nachzubilden, um ihn in ein zeitgenössisches Symbol für eine Gesellschaft zu verwandeln, die sich selbst von der Agrar- zur Ökonomiegesellschaft verwandelt hat.

Der Kiepenkerl basierte wie alle meine vorherigen Arbeiten auf dem Ready-made. Wenn ich ein Objekt neu gieße, ist es eine genaue Kopie des Originalgegenstandes in einem anderen Material, während es die gesamte Integrität des Originals - seine Vollkommenheit und seine Unvollkommenheit - beibehält. Beim Gießen des Kiepenkerls in Edelstahl hatten wir jedoch große technische Schwierigkeiten, die eine verzerrte Darstellung des Originalmodells einschlossen. Ich mußte mich entscheiden, ob ich die Teilnahme in Münster absagen sollte, da für einen neuen Abguß die Zeit fehlte, oder ob ich eine radikale Schönheitsoperation an dem Kiepenkerl vornehmen sollte. Ich entschied mich für die Schönheitsoperation, und in Zusammenarbeit mit unübertroffenen Stahltechnikern setzte ich diesen buckeligen Kerl wieder zusammen. Diese befreiende Erfahrung bot mir als Künstler die Chance, weiterzugehen und meine eigenen Objekte in Werkgruppen - wie Banality - zu machen, wobei ich nicht direkt mit Ready-mades arbeitete, sondern mit Objekten, denen die Idee eines Ready-mades zugrunde liegt.

Eine Dekade später nehme ich die Gelegenheit wahr, nach Münster zurückzukehren, und hoffe, daß ich durch die Erforschung der Möglichkeiten von öffentlicher Skulptur an meine kreativen Grenzen vordringen kann, indem ich ein Werk schaffe, das alle Betrachter einlädt, in der Interaktion mit der Skulptur ihre Erfüllung zu finden.

Meine neue Arbeit "Coloring Book" ist eine aus Edelstahl gefertigte Figur, deren Oberfläche spiegelblank poliert und mit transparenten Farben überzogen wurde.

Die Skulptur entstand aus meiner spontanen Reaktion auf ein Bild in einem Malbuch. Ich wollte ein Werk schaffen, das meine aufrichtigste und meine hemmungsloseste Geste beinhaltet und das hoffentlich ein Werk ist, das als Archetypus für unser persönliches Engagement und Verständnis für Kunst steht.