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Pawel Althamer hat für skulptur projekte münster 07 einen Weg angelegt. An einer Kreuzung von Fußgänger- und Fahrradwegen im städtischen Naherholungsgebiet am Aaasee beginnend, führt Althamers Trampelpfad über Wiesen und Felder aus der Stadt heraus, um nach knapp einem Kilometer Fußmarsch unvermittelt in einem Gerstefeld zu enden. Erstaunt über das plötzliche Ende der Wegführung muss der Besucher dort selbst entscheiden, wie er mit dieser offenen Situation umgeht, und wie er wieder zurück in die Stadt kommt.
Die Idee zu diesem Projekt resultiert aus Althamers Wahrnehmung einer für polnische Maßstäbe ungewöhnlichen Regelkonformität von Fußgängern und Fahrradfahrern, die alle treu die ihnen über Schilder zugewiesenen Wege benutzten. Weder fahren Fahrradfahrer auf den Wegen der Fußgänger noch laufen Fußgänger auf den Fahrradwegen, ganz zu schweigen davon, dass jemand die angelegten Wege verlässt und querfeldein läuft oder fährt. Althamers Trampelpfad sucht einen Ausweg aus diesen geordneten Verhältnissen und stellt gleichzeitig die Sinnfälligkeit des Wegenetzes in Frage, indem er eine Alternative anbietet, die sich dessen stillschweigend akzeptierter Logik widersetzt.
Der Pfad, der sich durch seinen sporadischen Charakter von den fest angelegten Wegen absetzt, führt über eine Ausfallstraße am Stadtrand von Münster vorbei in ein landwirtschaftlich genutztes Gebiet. Dieser Ortswechsel verändert gleichzeitig auch die Art, wie der Trampelpfad wahrgenommen wird, verwandelt dieser sich von dem ursprünglichen Eingriff in die bestehende Infrastruktur zu einem abenteuerlichen Ausweg aus den routinierten Abläufen des städtischen Alltags. An Spaziergänge aus Kindertagen erinnernd, führt er den Betrachter in die Natur, an einem kleinen Wald vorbei und über einen Bach, um ihm eben jene landschaftlichen Qualitäten zu veranschaulichen, die wir in unserer stark medialisierten Welt oftmals nicht mehr wahrnehmen. An der Stelle, wo er abrupt endet, fordert der Pfad die Entscheidungsfähigkeit des Betrachters heraus, sich der gegebenen Situation zu stellen und eigenständig die Verantwortung zu übernehmen. Das Abwenden von bekannten Handlungsmustern und das Schaffen einer offenen Situation, in der Möglichkeiten neu verhandelt werden können und müssen, bilden den besonderen Reiz dieser Arbeit, die sich während der Dauer der Ausstellung aufgrund der individuellen Entscheidungen ihrer Besucher permanent verändern und erweitern wird.
Pawel Althamer verbindet in seinem Schaffen Aspekte der klassischen Bildhauerei, wie sie etwa in seinem lebensgroßen, aus Haaren und Wachs gefertigten figurativen Selbstbildnis (1993) deutlich werden, mit installativen und sozialen Elementen. Oftmals bindet er aus dem Alltag vertraute Situationen in neue Kontexte ein, um Bedeutungsverschiebungen zu erzielen. So befragte er 1994 in einer Warschauer Kunstgalerie beispielsweise die Aufsicht, welche Gegenstände ihren Arbeitsalltag bereichern würde, und stellte ihr daraufhin eine Sitzgelegenheit, ein Radio, eine Topfpflanze sowie Getränke zur freien Verfügung.
In Althamers Werk nehmen Menschen aus unterprivilegierten sozialen Schichten eine wichtige Rolle ein. Dabei rückt Althamer die Künstlichkeit ihrer nicht selbst gewählten Andersartigkeit in den Vordergrund. Für Tänzer (1997) bat Althamer eine Gruppe Obdachloser, sich in einem weißen, hell erleuchteten Raum an den Händen zu fassen und nackt im Kreis zu tanzen. Dem Hinweis auf ihre soziale Zugehörigkeit, ihrer Kleidung, entledigt, konnten die Obdachlosen nicht mehr als solche identifiziert werden und ihr Tanz geriet zu einem Ausdruck bloßen Menschseins. Althamers Schaffen kann als eine neue Form von Realismus verstanden werden, die sich im Zuge der politischen Veränderungen zu Beginn der 1990er Jahre in Polen und anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks entwickelt hat. Ihrer traditionellen Orientierungsmuster entledigt, befragen Künstler wie Althamer die Welt, in der sie leben, auf deren Werte hin.